Aus Liebe gerettet...
In vierter Generation wird die Meckatzer Löwenbräu nun schon von der Brauerfamilie Weiß geführt. Das ist jedoch bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Die Geschichte der Allgäuer Familienbrauerei ist so vielfältig, wie das Allgäu selbst. Eine Frau spielt dabei eine entscheidende Rolle: Lena Weiss. Sie hat aus Liebe zu ihrem Mann 1873 nicht nur die Brauerei gerettet, sondern auch einen Qualitätsmaßstab festgelegt, der bis heute für die Biere, aber auch für den Umgang mit Mitarbeitern und Partnern gültig ist und von den Meckatzern gelebt wird.
Es ist ein kalter Januartag im Jahr 1873. Gebhard Weiss, der 20 Jahre zuvor zusammen mit seiner Frau Lena die in Konkurs liegende Landbrauerei und die dazugehörige Landwirtschaft gekauft hatte, spannt seine Rösser vor den großen Schlitten. Sein Ziel: Lindau am Bodensee. Dort wartet ein Gastwirt dringend auf volle Bierfässer, sein Geschäft läuft gut. In dichtem Schneetreiben und bei minus 10°C macht sich der Unternehmer auf den Weg zu seinem Stammkunden. Eine tragische Entscheidung – denn diese Lieferung kostet ihn das Leben, er erkrankt an einer Lungenentzündung und stirbt wenige Tage später. Für Lena eine Katastrophe. Sechs Kinder hat sie zu versorgen. An der Seite ihres Mannes war sie zwar schon immer fleißig und erfolgreich; dass jedoch eine Frau zu dieser Zeit einem Unternehmen vorsteht, war eigentlich undenkbar. Die Bedenkenträger und Interessenten lassen entsprechend nicht lange auf sich warten. „Lena, des schaffsch du doch it“, heißt es aus dem familiären Umkreis „verkaufs doch oifach!“. Selbst ein Heiratsantrag wird ihr überbracht. Doch Lena Weiss bleibt standhaft. Aus Liebe und Verbundenheit zu ihrem Mann krempelt sie die Ärmel hoch und legt los. An ihrer Seite der 16jährige Sohn Benedikt. Gemeinsam schaffen sie es, die Meckatzer Löwenbräu erfolgreich weiterzuführen. Dabei begleitet die Beiden ein Leitspruch, der ihr Handeln bestimmt und bis heute seine Gültigkeit hat: „Qualität in allem Tun, zum Wohle aller für die und mit denen wir tätig sind.“ 1885 stirbt Lena und hinterlässt ihrem Sohn eine große Aufgabe.
Wie sich in den folgenden Jahren herausstellt, hat Benedikt den Mut, die Tatkraft und die Weitsicht seiner Eltern geerbt. 1902 modernisiert er und lässt einen Neubau für die Produktion erstellen, der seiner Zeit voraus ist. 1905 kreiert er die Rezeptur für das Meckatzer Weiss-Gold. Ein Bier, das in keine Schublade passt und mit seinem feinen Hopfenaroma und der angenehmen Malzigkeit eine ganz eigene Bierkategorie definiert. Wenige Jahre später wird das Weiss-Gold beim Kaiserlichen Patentamt als erste Allgäuer Biermarke offiziell eingetragen. Bis heute ist die Rezeptur das Herz der Brauerei und ein gut gehütetes Geheimnis, das von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Die Traditionsbrauerei übersteht die Wirren der darauffolgenden Jahre und das Weiss-Gold wird ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zur beliebtesten Biermarke des Allgäus, es wird als Allgäuer Sonntagsbier bekannt. Nach und nach wächst die Bierfamilie im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Weiss-Gold gesellen sich weitere Biersorten, wie das Helle, das Ur-Weizen oder auch Radler und alkoholfreie Biere. Neun verschiedene Sorten sind es mittlerweile, darunter saisonale Spezialitäten wie der Bock, das Zwickelbier oder auch das Festmärzen, mit dem für viele Allgäuer überhaupt erst die Weihnachtszeit beginnt. Alle werden nach dem Meckatzer Reifegebot mit viel handwerklichem Können und ausschließlich Rohstoffen aus der Region gebraut. Dafür erhielt Meckatzer übrigens als erste Brauerei überhaupt das Slow Brewing-Gütesiegel, das aktuell strengste Qualitätssiegel der Branche.
Auch die Zahl der Mitarbeiter ist natürlich gewachsen. Rund 130, die „Meckatzer“, arbeiten zum großen Teil seit vielen Jahren für den Erfolg der Marke. An der Spitze der Familienbrauerei steht nunmehr die vierte Generation in Form von Michael Weiß, dem Geschäftsführenden Gesellschafter. Genuss in all seinen Facetten eine Plattform zu bieten und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, ist sein Antrieb.
Aus diesem Grund initiierte er 2019 die „Allgäuer GenussMacher“, eine Aktion, bei der Handwerker, Manufakturen, Köche, Gastwirte und Persönlichkeiten aus dem Allgäu gesucht werden, die sich dem Thema ebenfalls verschrieben haben. „Es geht uns um den Aufbau eines Netzwerks von Allgäuer GenussMachern, die sich gegenseitig inspirieren, motivieren und so auch den Beitrag leisten, dass das Allgäu für die Einheimischen immer lebens- und liebenswerter und für unsere Gäste eine immer attraktivere Urlaubsregion wird – und das alles unter dem Aspekt ‚Klasse statt Masse‘“, bringt Michael Weiß seine Gründe für die Initiative auf den Punkt „die GenussMacher sind keine Eintagsfliege, wir werden sie jedes Jahr aufs Neue suchen.“
Michael Weiß war es auch ein Anliegen, den Genuss unmittelbar auf dem Brauereiareal, das idyllisch an der Leiblach liegt, erlebbar zu machen. Heute empfängt die Besucher der Brauerei oder des Meckatzer Bräustübles ein parkähnliches Areal, in dem alte Kastanien im spannenden Kontrast zur modernen Gartengestaltung stehen, historische Gebäude sich mit einer klaren Architektur abwechseln. Gemeinsam ist diesen Gegensätzen, den Gästen einen Raum zu schaffen, in dem sie sich begegnen oder einfach einmal kurz Durchschnaufen können. Die efeuumrankte Mauer trennt das Brauereigelände von der Bundesstraße und ist quasi der Übergang von der hektischen Außenwelt zum idyllischen Innenhof, in dem man an sonnigen Tagen die Wahl hat zwischen Liegestühlen unter knorrigen Bäumen und dem Biergarten, in dem es sich vortrefflich genießen lässt. Zum Frühschoppen pfeift dann schon auch mal die Allgäuer Vogelwelt ein Begrüßungsständchen, während sich zum Barbecue das ein oder andere Eichhörnchen blicken lässt.
In Meckatz wird darüber hinaus noch eine ganz besondere Tradition gelebt: der Allgäuer Sonntagsbraten. Einmal die Woche soll die Familie bei einem Mittagessen Platz nehmen und gemeinsam eine gute Zeit erleben. Ein knuspriger Schweinebraten mit selbst gemachten Knödeln und Salat öffnet erfahrungsgemäß schnell die Herzen. Und wer dazu mit dem Ebike kommen möchte, kann die Akkus seines fahrbaren Untersatzes an der Ladestation aufladen.
Wer mag, kann den Braumeistern im Rahmen der regelmäßigen Führung direkt über die Schulter schauen. Und wenn gebraut wird, duftet es nicht nur im Sudhaus nach Hopfen und Malz. Durch ganz Meckatz zieht sich dieser ganz besondere Duft und verleitet den ein oder anderen dazu, abzubiegen um ein Meckatzer zu genießen. „Für einen Genuss muss immer Zeit sein“, ist Michael Weiß überzeugt.